Burckhard Stein

Burckhard Stein

"Verlange nur das von anderen, was du auch selber machen kannst"
Stein mit Ursula Parrish bei deren Verabschiedung (1980)

Zeitzeuge
BURCKHARD STEIN
Stratege mit Herz

Sollte es einmal eine Klonmaschine geben, mit der man sich durch das Beimischen von Dingen wie Menschlichkeit, Kameradschaft, Strenge und Gerechtigkeit einen guten Vorgesetzten zusammenbrauen könnte, dann würde als Ergebnis immer ein Typ wie Burckhard Stein als Resultat zum Vorschein kommen.

Allein das Herbeirufen von Erinnerungen an ihn, wird bei vielen Ehemaligen der einstigen German Security Unit (GSU) ein Lächeln hervorrufen.

Inzwischen ist es still um ihn geworden, und er äußert sich nicht mehr über Vergangenes - auch nicht über seine Zeit bei bei den Britischen Streitkräften.

Eine Ausnahme bildet ein Interview mit GSU History. Dem Zeitzeugen-Projekt bietet er einen Einblick in ein bewegtes Leben, ein Leben, das durch herbe Schicksalsschläge geprägt ist.

Letztlich führen Gedanken immer auf einen GSU-Mann, der sich schnell beschreiben lässt: als einen »Strategen mit Herz«.

Burckhard Stein wird im März 1942 im damaligen Berliner Bezirk Wedding geboren. Sein Vater war Feinmechaniker, seine Mutter Hausfrau. Besonders zu ihr hatte er ein außerordentlich inniges Verhältnis.

Die Kindheitserinnerungen bleiben bis heute geprägt von schönen Erlebnissen an jenen Ort, an dem es vor langer Zeit nur Sümpfe und Hügelketten gab: die Rehberge in Wedding, dem heutigen Volkspark. Aber auch die Begeisterung für die »Reinickendorfer Füchse« und vor allem die tiefe Zuneigung zu seinen Großeltern sind bis heute fest in seinem Herzen verankert.

Nachdem Stein die Oberschule abschloss, wird er Hotelkaufmann. Noch heute blickt er mit Stolz zurück. „Hochgearbeitet habe ich mich“, sagt er. Und tatsächlich war es so. Der spätere GSU-Offizier fing als einfacher Page an und durchlief die harte Schule des Hotelgewerbes. Er wurde massiv gefordert, denn immerhin war er in großen Häusern angestellt, darunter im »Hilton« und dem legendären »Roxy Hotel« am Kurfürstendamm. Schließlich stieg er bis zum Salesmanager auf.

Ablenkung verschaffte ihm sein Hobby. Er züchtete Schäferhunde und bildete sie auch selbst aus, zudem war er in einem Hundesportverein engagiert.

Superintendent Burckhard Stein (Jahrgang 1942) war ab 1976 zunächst Diensthundeführer bei der GSU. Aufgrund seiner außerordentlichen Sprachkenntnisse und strategischer Begabung, wechselte er nur kurze Zeit später in den Stab und wurde im Range eines Foreman Sektionsleiter. 


Nach einem Fachlehrgang wurde er der erste und zugleich letzte Leiter des neuen »Operations & Police Office« und schließlich zum Superintendent befördert. In diesem Offiziersdienstgrad schied er mit Auflösung der German Security Unit im September 1994 aus dem Dienst der Britischen Streitkräfte aus.


Stein lebt zurückgezogen und gewährte GSU HISTORY als Zeitzeuge Einblicke in sein Leben.

Stein (links) beim Empfang eines Leistungsabzeichens

Hobby zum Beruf gemacht

Ablenkung verschaffte ihm sein Hobby: Hunde.

Er züchtete Schäferhunde und bildete sie auch selbst aus, zudem wirkte er in einem Hundesportverein und war auch dort für die Ausbildung zuständig.

Mitte der 1970er Jahre kam dann der berufliche Neustart. Durch Zufall erfuhr Burckhard Stein, dass die Britischen Streitkräfte Hundeführer suchen. Für ihn die große Chance, sein Hobby zum Beruf zu machen.

Dann ging alles ziemlich schnell.

Am 16. September 1976 wurde Burckhard Stein bei der damaligen German Service Unit eingestellt. An seinen Ausbilder Horst Schröpfer (Foto) kann er sich noch gut erinnern. Der 1996 verstorbene Foreman wurde schnell auf die Fähigkeiten Steins aufmerksam.


Und tatsächlich schaffte er es im Eiltempo, sein erstes Ziel zu erreichen und Hundeführer zu werden. Aber tatsächlich gehörte er der Vierbeinertruppe nicht lange an, denn Steins Qualitäten waren gefragt.


Es waren wahrscheinlich auch seine hervorragenden Englischkenntnisse, die ihn zu höherem beriefen. Nach nur wenigen Jahren wechselte er kurze Zeit in den Stab und wurde im Anschluss zum Foreman befördert und als Sektionsleiter, defacto also als Zugführer, eingesetzt.

Zurückblickend bestätigen sich die Ansichten vieler ehemaliger Guards, die Burckhard Stein als einen freundlichen, eher ruhigen und kameradschaftlichen Vorgesetzten bezeichnen. Einen, der aber auch durchaus eine harte Gangart, eine manchmal sehr restriktive Haltung einnehmen konnte, wenn es angemessen war.
Vermutlich der Grund seiner großen Beliebtheit.

1979 absolvierte er eine Zusatzausbildung in Führungslehre bei der Rheinarmee im niedersächsischen Sennelager. Die Schulung erfolgte in englischer Sprache, und erfolgreiche Absolventen konnte sich somit in einem ersten Schritt für die Offizierslaufbahn qualifizieren. Burckhard Stein absolvierte sie erfolgreich.

Auch privat läuft alles gut. In den 1980er Jahren heiratet Burckhard Stein.
Sektionsleiter Stein bei der Vergatterung der Wache (1980er Jahre)

Im Spurt nach oben

Und schließlich übernimmt er bei der inzwischen in German Security Unit umbenannten Einheit, die mittlerweile zur Royal Military Police gehörte, das neue Operations & Police Office.

In seiner neuen Funktion blüht er auf, wird zum wichtigen und gefragten Mann. Letztlich wird er zum Superintendent befördert und somit einer der wenigen Offiziere bei der GSU. Seine Position im Police Office schien wie für ihn gemacht: als Taktiker und Planer war er in seinem Element.

Ein Stratege. Einsatzkonzeptionen, Lagebeurteilungen und Absprachen mit den britischen Dienststellen lagen ihm. Stein war der richtige Mann auf dem richtigen Posten. Letztlich ergänzte er nicht nur ein Fragment des Aufgabenbereiches des Chefs der Wachabteilung, sondern wurde mit seinem Büro ein neues Aushängeschild der GSU. Ein wichtiges Bindeglied zwischen Wachpersonal, Dienststellenleitung (Foto oben: Mit Chief Superintendent Heinz Radtke, Dezember 1988) und einzelnen Bedarfsträgern. Er war jemand, der qualifiziert und anerkannt war. Ein Mann vom Fach.

Als Einsatzplaner war er oft gefordert. Noch heute erinnert er sich an „besonderen Lagen“, wie zum Beispiel den Berlin-Besuch von Prinzessin Diana, der damaligen Frau des britischen Thronfolgers Charles oder an die Visite von Herzogin Sarah. Beide Frauen residierten in der von der GSU beschützten Villa Lemm, dem Wohnsitz des britischen Stadtkommandanten.

Trotz aller Ernsthaftigkeit war Burckhard Stein aber auch wegen seines Humors und seiner Menschlichkeit bekannt. „Gelacht haben wir viel“, erinnert er sich. Dabei war ihm stets wichtig, eine besondere Eigenschaft nie zu verlieren: „Man muss auch über sich selbst lachen können. Vergleichbar mit meinem Leitspruch, dass man von anderen nur verlangen darf, was man selbst machen würde“, sagt Stein.
Stein (2.v.r.) mit GSU -Kollegen (1980, links: Maurice Kent, rechts: Wolfgang Schiller)
„Den meisten Spaß hatten wir bei Manövern. Eines war mitten im Hochsommer, und ich weiß noch, wie sehr ich unser Team auf den 24-Stunden-Einsatz vorbereitet habe. Sie wurden förmlich getriezt und dennoch habe ich unsere Jungs ständig daran erinnert, auf keinen Fall Trinkwasser zu vergessen. Tja, und der Einzige, der es vergessen hatte, war ich selbst. Vor Durst wäre ich fast auf meine Zunge getreten“, sagt er lachend.

Sein Ruf als Gentleman-Offizier hatte auch Vorteile, wie sich bei einem anderen Manöver zeigte: Bei der Übung sollte die GSU das Hauptquartier am Olympiastadion verteidigen. Schließlich entwickelte sich die »Ruhe vor dem Sturm«. Nachdem sich der Gegner in Überzahl näherte, blieb Stein an der Wachtür stehen. Die Angreifer stürmten hinein und erschossen alle Offiziere, nur Stein blieb verschont, weil er die Tür aufgehalten hatte. „An das Gelächter kann ich mich noch gut erinnern, weil niemand auf mich achtete, so konzentriert waren sie."

Burckhard Stein hätte zu gern bis zum Eintritt in den Ruhestand bei der German Security Unit gedient. „Mein Leben war ausgezeichnet“, sagt er.

Doch die politische Entwicklung machte auch vor der GSU nicht Halt. Als die Demobilisierung der Einheit mit Ablauf des Septembers 1994 beschlossene Sache war, gehörte es zu den wesentlichen Aufgaben der verbliebenen Offiziere, den letzten Akt in der Geschichte der stolzen Einheit mit Würde und Anstand zu vollziehen.

„Der letzte Tag war mit großer Wehmut, aber auch mit Zuversicht für das Kommende behaftet. Ich bin bis heute stolz und sehr beeindruckt, mit welcher Disziplin die Wachmannschaft bis zur letzten Stunde ehrenhaft ihren Dienst abgeleistet hat. Trotz Verunsicherung und Traurigkeit, gab es keine Pannen oder Vorfälle, die mit der Auflösung im Zusammenhang standen“, erinnert sich Stein.

Mehr noch: In den letzten Tagen der GSU klopfte es häufiger an seine Bürotür. Zahlreiche Kameraden bedankten und verabschiedeten sich persönlich von ihm. „Selbst Leute, die ich wegen ihres Fehlverhaltens früher einbestellen musste, kamen zu mir. Das hat mich wirklich tief bewegt. Man spürte, was für tolle Menschen vor einem standen“, so Stein.

Am 30. September 1994 war die German Security Unit Geschichte. Ganze 6588 Tage, das sind 18 Jahre und 14 Tage, hat Burckhard Stein in der Einheit gedient. Vom einfachen Security Guard, über die Stellung eines Sektionsleiters, bis zum Offizier im Rang eines Superintendent. Burckhard Stein gehört zu jenen Menschen, die die Einheit maßgeblich geprägt haben.

Interesse an einer temporären Weiterbeschäftigung in der BRIO Security, einer kleinen Truppe, die die letzten Sicherungsmaßnahmen für die Briten in Berlin durchführten, hatte er nicht. „Das war nicht mehr die GSU“, sagt er leise.
Schließlich entließ sich der damals 52-jährige Ex-GSU-Mann in seinen eigenen „Plan B“.

Mit seinem Bruder machte er sich selbstständig und nutzte seine Ausbildung und das Erlernte als Hotelkaufmann und Salesmanager. Im Berliner Ortsteil Frohnau übernahm er das Restaurant „Berliner Pflanze“. Den Ratschlag seines ehemaligen Hoteldirektors, das Unterfangen lieber mit einem neutralen Geschäftspartner aufzuziehen, ignorierte er. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Das erste Mal in seinem Leben scheiterte Burckhard Stein, der das Restaurant letztlich aufgeben musste.
Neues Glück: Burckhard Stein mit seiner Ines (2021)

Die Jahre nach der GSU

Schließlich wurde es stiller um den beliebten früheren GSU-Offizier. Das Thema „Geschwister“ ist für ihn keines mehr, über das er sprechen möchte. Letztlich auch das Thema „GSU“ nicht.

Es fällt ihm schwer, sich an die schöne Berufszeit zu erinnern, vermutlich weil es schmerzt. Nach dem Aus seines Restaurants folgte der Weg zum Arbeitsamt und die bittere Erkenntnis, aufgrund seiner Überqualifizierung, kaum noch vermittelbar zu sein.

Schließlich wird er schweren Herzens frühberentet.

Mit seiner Frau genießt er den Ruhestand in seinem Haus in Spandau. Doch das Schicksal schlägt erneut zu. 2006 stirbt sie; ein Schlag, der Burckhard Stein noch stiller werden lässt.

Manchmal dringt der Humor noch durch. Die Frage nach Kindern beantwortet er schmunzelnd mit einem „Nein, soweit mir bekannt ist“. Doch letztlich zieht er sich immer mehr zurück.

2010 erfolgt der nächste Schicksalsschlag: Er stürzt bei Arbeiten vom Dach seines Hauses. Er wird so schwer verletzt, dass mehrere wichtige Funktionen beeinträchtigt sind.

Sehen, Hören und auch das Sprechen fallen ihm schwer.
Nur langsam orientiert er sich wieder zurück in den Alltag, wenn auch mit starken Einbußen.

Inzwischen hat er eine neue Lebenspartnerin gefunden. Ines baut ihn auf, wenn er es braucht. Sie unterstützt bei vielen Sachen und hält auch die Korrespondenz aufrecht. Auch wenn alles nicht einfacher geworden ist, so nimmt man sie als eingespieltes, schon fast zusammengeschweißtes Team wahr.

Beide haben den Weg eines, wenn auch beeinträchtigten, Neustarts gewählt: Das Haus in Spandau ist verkauft und auch Berlin haben sie schon vor Jahren verlassen.

Gespräche sind selten, doch die Erinnerung bleiben wach und können schmerzhaft sein. „Das Gedächtnis lässt mich immer mehr im Stich, traurig, aber ich kann mich nicht einmal an den Namen meines alten GSU-Diensthundes erinnern. Ich sehe ihn, aber ich kann ihn nicht rufen“, sagt er betrübt.

Vieles seiner Vergangenheit hat er aufgegeben, darunter nahezu alle Fotos vernichtet. Selbst Kinderbilder existieren nicht mehr. Burckhard Stein erinnert sich an einen kleinen Jungen in Lederhosen, mit einer Schultüte in der Hand. „Meine Hosenträger hatten Edelweiß-Abbildungen drauf“, schwärmt Stein leise.

Ein Mythos besagt, Edelweiß sei aus Tränen entstanden. Es verkörperte Werte wie Liebe, Mut, Treue und Gemeinschaft. Dinge, die auf einen Menschen mit Sicherheit zutreffen: Burckhard Stein.

Im März 2022 feiert er seinen 80. Geburtstag und gewährte ein langes und vermutlich letztes Interview über die Ereignisse seines Lebens.
Burckhard Stein
"Ich bin noch heute davon beeindruckt, mit welcher Disziplin unsere Leute ihre letzten Dienste pflichtbewusst absolvierten"
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