Ian Gilfellon

Ian Gilfellon (1944-2021)

"Wenn du etwas erreichen willst, arbeite hart dafür"
Ian Gilfellon (1984)

Protagonist
IAN GILFELLON
Mister Troubleshooter

Aus Sicht des "typischen Deutschen" repräsentierte er den "typischen Engländer". Etwas steif und unnahbar wirkend und einer gewissen Etikette verpflichtet. Doch wer diesen Unteroffizier näher kannte, der wusste auch, dass der erste Eindruck durchaus täuschen kann.

Seinen Berliner Posten übernahm er mit gemischten Gefühlen, fand sich aber schnell im Kreise wirklich guter Kameraden wieder. Als er die Stadt verließ, war sein Bedauern groß.

Gewachsene Kontakte blieben, selbst als er schon lange pensioniert war. Sie hielten eine gefühlte Ewigkeit, bis zum Schluss. Ein Blick auf den Werdegang eines großen Freundes Deutschlands und der einstigen German Security Unit: Ein Blick auf Ian Gilfellon.
Der Posten des British Supervisory Element war bei der German Security Unit (GSU) eigentlich nie etwas Neues. Denn schon bei Gründung 1950 wurde diese Stelle eingerichtet, allerdings in Personalunion durch den jeweiligen Commanding Officer besetzt.

Erst 1968 änderte sich dies, als die zur offiziellen Wachpolizei reformierte Einheit einen britischen Verbindungsoffizier ins Haus bekam. Die neue separate Stelle wurde aber weder durch einen echten Offizier besetzt, noch trifft das Wort „Verbindungsoffizier“ die eigentliche Kernaufgabe. Klassisches „Liaison“ wurde nur am Rande betrieben. Tatsächlich hatte der BSE die restriktive Aufgabe, die notwendigen Interessen der Britischen Streitkräfte zu vertreten. Eine vermutlich historische Stellenbeschreibung, die den frühen 1950er Jahren geschuldet war.

Oft bedeutete dies einen Spagat, denn der „neue BSE“ war weder dem GSU-Einheitsführer gegenüber weisungsgebunden, noch konnte er diesem umgekehrt Befehle erteilen. Spannungen waren also vorprogrammiert, dennoch funktionierte das System, weil es stets herausragende Männer waren, die ab 1968 als BSE eingesetzt wurden. 1985 übernahm Ian Gilfellon den Posten des „Troubleshooter“. Wenn anfangs auch oft als unnahbar wahrgenommen, überzeugte er schnell durch seine herzliche und offene Persönlichkeit. Man lernte ihn zügig schätzen; und das nicht ohne Grund.
Ian Gilfellon  (Anfang der 1950er Jahre)

Der Weg des Yorkshireman

Der Zweite Weltkrieg war noch voll im Gange, als Ian Gilfellon im Januar 1944 in dem kleinen englischen Dorf Goldthorpe in South Yorkshire geboren wurde. Er war nach seinem Bruder Andrew das zweite Kind der Familie, später kam seine Schwester Janet hinzu.

Die Gilfellons lebten in in einfachen, aber glücklichen Verhältnissen. Die Gemeinde Goldthorpe sollte erst viele Jahre später in Großbritannien traurige Bekanntheit erlangen, als Demonstranten im April 2013 einen hämischen Spott-Trauerzug für die verstorbene ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher veranstalteten.

Ian Gilfellon war ein typischer „Yorkshireman“: Ziemlich schlau und flink und seiner Heimat eng verbunden. Schon als kleiner Junge suchte er immer nach Möglichkeiten, sein Taschengeld aufzubessern. Das änderte sich auch nicht, als ihm seine Mutter Kathleen eröffnete, dass die Familie umziehen muss.
Ians Vater John Gilfellon war Gefängnisarzt und wurde an die offene Haftanstalt Bela Camp versetzt, die sich in Englands nordwestlicher Grafschaft Cumbria befand. Der aufgeweckte Junge war begeistert. Er erkundete die Gegend mit dem Fahrrad und war auf dem Bela River mit seinem Kanu unterwegs. An der Mündung des Flusses fing er Fische, um diese wiederum an Fischer zu verkaufen, die glücklos in den Hafen heimkehrten.

Seine Schulzeit verbrachte Gilfellon ebenfalls in Cumbria. Nach der Grundschule besuchte er von 1954 bis 1959 das Kirkby Lonsdale Gymnasium. Eine entscheidende Zeit für den späteren Unteroffizier, denn hier entwickelte er seine Leidenschaft zum Sport. Gilfellon trat der Rugby-Mannschaft bei und blieb auch noch während seiner Militärzeit ein begeisterter Spieler.

Er schaffte es bis in die zweite Liga und spielte auch in der kombinierten Rugby-Mannschaft der Britischen Streitkräfte. Ian Gilfellon wird später lächelnd einräumen, dass er somit auch für die Royal Air Force gespielt habe, was er selbst aber lieber unerwähnt ließ. Zu sehr hatten sich Army und Air Force immer wieder gegenseitig belächelt.

Wie weit er es als Profi hätte bringen können, wird sich nicht mehr klären lassen. Ein spielerisches Gedränge an der Seitenlinie beendete seine Laufbahn von einer auf die andere Sekunde. Während des „Lineout“ brach er sich beide Knochen im Unterarm.

Doch Ian Gilfellon gab nicht auf. Er gab nie auf. Noch während er auf die Ergebnisse seines Fachabiturs wartete, suchte er sich einen Job. Der bekannteste Farmer der Gegend, Bernard Dowker, bot ihm eine Stelle an, setzte aber eine Bedingung: Ian sollte ihm als Beweis seines Fleißes alle Tore streichen. Gilfellon lieferte in Bestzeit und erhielt feste Arbeit für den bevorstehenden Sommer. Vermutlich zu dieser Zeit entwickelte er sein Lebensmotto: „Wenn Du etwas erreichen willst, arbeite hart dafür“.

Mit dem Abitur in der Tasche absolvierte Gilfellon 1960 als junger Kadett die Polizeischule in Lancashire, um mit 18 Jahren endgültig in den Polizeidienst einzutreten. Doch 1962, als eine Untersuchung vor der Übernahme durchgeführt wurde, scheiterte Gilfellon am Sehtest und musste die Polizei wieder verlassen.


Etwas niedergeschlagen, folgte er nun dem Rat seines Vaters und informierte sich bei den Britischen Streitkräften. Die Entscheidung seines Lebens. Noch 1962 trat der ehemalige Polizist der Royal Military Police (RMP) bei. 

In den ersten Jahren wurde er bereits in allen militärpolizeilichen Bereichen ausgebildet. Es folgten Qualifizierungen bei Spezialeinheiten, die er in der damaligen britischen Kronkolonie Aden (Südjemen) absolvierte sowie eine Verwendung in Belgien im sicherheitsrelevanten Bereich beim Oberkommando des Obersten Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Europa (SHAPE). Auch der Bereich des Begleit- und Personenschutzes fiel darunter, denn im Anschluss wechselte Gilfellon zu einer Spezialverwendung nach Belfast.

1973 übernahm er die Leitung einer sechsköpfigen Einheit, die zur Steuerung wichtiger RMP-Berichte und für die Zusammenarbeit mit anderen Polizeieinheiten zuständig war. Hier war er erstmals auch als Verbindungsoffizier eingesetzt. Von 1976 bis 1979 war Gilfellon schließlich auch Ausbilder bei der Royal Military Police.

Im Anschluss war er Zugführer einer international eingesetzten 14-köpfigen Einheit. Sein Job war nicht nur die Versorgung mit Waffen und Logistik, sondern auch für die Aufrechterhaltung von Disziplin und Ordnung zu sorgen, die „im direkten Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit“ standen – so gibt es die offizielle Vita Gilfellons her.  

1980 übernahm er die Position des Chief Clerk in einem RMP-Trainingscenter. Aus heutiger Sicht wird dieser Verwaltungsposten nicht zu den Lieblingstätigkeiten Gilfellons gehört haben, dennoch musste er diesen im Rahmen seiner Laufbahn einmal besetzen. Er fügte sich und beschäftigte sich nun vordergründig mit Personal-, Aus- und Fortbildungs-Angelegenheiten angehender Militärpolizisten.

Auch seine nächste Verwendung war wohl mehr ein notwendiges Übel: 1983 übernahm er im Verwaltungsbereich die Dienstaufsicht und die Abwicklung des Tagesgeschäftes einer 85-Mann-starken Einheit. Auch das Ressourcenmanagement gehörte nun zu seinern Aufgaben. Und zudem wurde ihm die Aufsicht der Sergeants- und Corporal-Mess übertragen. Ein Posten, der damals noch den Titel „President“ beinhaltete.

Als er die Position abgab, hatte Gilfellon ein wesentliches Ziel erreicht. 1984 wurde er zum Warrant Officer befördert, kurze Zeit später rutschte er in die Stufe der „Class I“ auf – und somit in den höchsten regulären Unteroffiziersrang.

Ian Gilfellon liebte die Armee. Sie eröffnete ihm, so sagte er oft, unheimliche Möglichkeiten. Er lernte das Autofahren, machte beim Militär auch den Führerschein für Lastkraftwagen und Motorräder. Unzählige Male war er mit diversen Fahrzeugen in Mannschaftsstärke auf Englands Küstenstraßen und im Landesinneren unterwegs, um angehenden Militärpolizisten die Kartenkunde beizubringen – aber auch, um diese eingehend zu testen.

Zeitzeugen erinnern sich auch gerne an Ian Gilfellon wegen dessen unglaublichen Humors. Und das Lachen gehörte zum Tagesgeschäft. Während seiner Dienstzeit in Nordirland leitete er Fahndungsmaßnahmen nach einem Raubüberfall. Doch eine fehlerhaft übermittelte Adresse führte dazu, dass ein falsches Haus gestürmt wurde. Peinlich für die Red Caps, denn Gilfellon stand nun dem verdutzten und unschuldigen Hauseigentümer gegenüber – einem irischen Polizeibeamten. Gilfellon ließ es sich nehmen, wenige Tage später mit Blumen und Süßigkeiten bei der Familie vorzusprechen und sich aufrichtig zu entschuldigen.
Elaine und Ian Gilfellon bei ihrer Hochzeit  (1984)

Von der Abbey Road nach Berlin

Privat lief es besser: Während einer dienstlichen Verwendung in London, wurde Gilfellon von seinem Quartiermeister gefragt, ob er ihn und seine Frau nicht zu einer Valentinsveranstaltung begleiten möchte. Zunächst zögerlich, sagte er schließlich zu. Auf dem Fest lernte er Elaine kennen, bei der es sich um eine Arbeitskollegin der Frau des Quartiermeisters gehandelt hat. Es war Liebe auf dem ersten Blick und für Gilfellon ein Neuanfang, denn er hatte inzwischen schon eine Ehe hinter sich, aus der seine Tochter Sarah und der Sohn David hervorgingen.

Elaine und Ian galten fortan als unzertrennlich und schließlich sollte eine Kreuzung in der Londoner Abbey Road eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Gilfellon bekam während des beginnenden neuen Liebesglücks ein Angebot, das er nicht ausschlagen wollte: ein Dienstposten in Berlin, den er für fünf Jahre übernehmen sollte. Gilfellon hatte viele Facetten zu bieten, nur war er kein Romantiker. Während einer Rot-Phase in der Abbey Road, erklärte der Unteroffizier seiner Freundin während der morgendlichen Fahrt zur Arbeitsstelle, dass er sie gerne mit nach Berlin mitnehmen wolle, und es daher besser sein würde, zu heiraten. Elaine zögerte nicht und sagte ja. Am 1. Dezember 1984 heiratete das Paar.

Für Elaine, die somit ihre Eltern in England zurücklassen musste, gab es lediglich eine Bedingung. Von ihrer Schwester Suzanne, die gesundheitliche Defizite hatte, wollte sie sich nicht trennen und sich auch weiterhin um sie kümmern. Ian Gilfellon freute sich auf die Herausforderung. Nur wenige Wochen später, im Februar 1985, zog das Paar nach Berlin. Ian Gilfellon übernahm im Westsektor der geteilten Stadt den Dienstposten des British Supervisory Element bei der German Security Unit.

Eine außergewöhnliche Stelle, denn erstmals war er innerhalb der Britischen Streitkräfte einer ausländischen Einheit zugeordnet. Mehr noch: in seiner Vita beschreibt er seine Position als die eines „Verbindungsoffiziers bei einer para-militärischen Einheit“ und vermerkt den Zusatz „trouble shooter“.

Im weiteren Verlauf verdeutlicht er aber auch, dass der Bereich „Liaison“ eigentlich eine nachgeordnete Stelle einnahm. Gilfellon war seit 1968 der inzwischen sechste Amtsinhaber und folgte auf Maurice Kent, der seit 1980 in Berlin war und an das Hauptquartier in Rheindalen wechselte. Gilfellons Aufgabe als BSE war im eigentlichen Sinne nie die Tätigkeit eines klassischen Verbindungsoffiziers bei der deutschen Einheit, denn originär hatte er die Interessen der Briten zu vertreten und umzusetzen.

Keine leichte Aufgabe, was vielleicht auch erklärt, dass Gilfellon gegenüber Fremden sehr unnahbar wirkte. Ein Umstand, der jedoch nicht zutraf. Als einen Spagat hat er einst seine Aufgabe bezeichnet. Er hatte gegenüber Staff Superintendent Wolfgang Schiller, der die GSU bereits seit 1968 führte, keine Weisungskompetenz, aber auch umgekehrt lag eine solche nicht vor. Befehle wurden über das Regiment oder die Brigade auf dem Weg gebracht.
Ian Gilfellon mit Vorgänger Maurice Kent (1985)
Doch die Praxis sah Mitte der 1980er Jahre bereits anders aus. Sehr schnell entwickelte sich ein harmonisches Miteinander. Gilfellon, der sein Büro im Kompanieblock der GSU hatte, suchte den kurzen Dienstweg zu Schiller und vor allem zu Chief Superintendent Heinz Radtke, der die Wachkompanie führte.

In seiner Vita bezeichnete er seine Berliner Tätigkeit bei der GSU auch als trouble shooter, was sich zunächst gefährlicher und störender anhört, als es die Bedeutung hergibt. Der trouble shooter einer Organisation hat die Aufgaben des Beratens, des Vermittelns und des Krisenmanagements.

Richtige Krisen gab es bei der GSU kaum, doch konfliktfrei war die Arbeit natürlich nicht. Zu sehr unterschieden sich die Charaktere der damaligen Protagonisten.

Letztlich zollte man sich gegenseitigem Respekt. Gilfellon lebte seine Aufgabe förmlich. Er war Berater.

Der ehemalige Chief Superintendent Heinz Radtke stand Gilfellon und dessen Frau besonders nah. „Er war ein toller Typ, mit dem ich sehr gerne zusammengearbeitet habe. Er war außerordentlich kompetent und zuverlässig.“

Zeitzeuge Heinz Radtke (Jahrgang 1925) war von 1968 bis 1988 als Chief Superintendent der stellvertretende Einheitsführer der German Security Unit und zugleich Chef des Wachzuges. In dieser Zeit hat er mit allen Unteroffizieren eng zusammengearbeitet, die den Posten des BSE besetzten. "Jeder von ihnen hatte so seine Eigenarten, mit denen man aber zurecht kam. Letztlich waren sie alle kompetent und zugänglich". 


Mit Ian Gilfellon verband ihn eine lange Freundschaft, die bis zu dessen Tod andauerte. "Er war ein wirklich feiner Kerl, auf den man sich uneingeschränkt verlassen konnte", erinnert sich Radtke, der während Gilfellons Amtszeit in den Ruhestand trat.


"Der Kauf des Autos, zu dem ich Ian begleitet habe, werde ich niemals vergessen", lacht Radtke.



Als typisch englisch nahm Radtke den einstigen Warrant Officer vor allem wegen einer ganz persönlichen Aktion wahr. „Eines Tages kam er zur mir und bat mich, ihn beim Kauf eines Fahrzeugs zu unterstützen. Er wollte einen alten Volkswagen kaufen. Wir beide fuhren mit seinem Dienstwagen dorthin, er ging um den VW herum und sagte, ohne sich vom Zustand des Autos zu informieren, einfach nur >Deal<. Als es um die Kaufabwicklung ging, öffnete er den Kofferraum seines Dienstwagens, holte eine Stange Zigaretten und eine Flasche Whiskey heraus und übergab sie dem Verkäufer. Und schon hatte Gilfellon einen neuen Wagen“, erinnert sich Radtke lachend. Beide Familien haben noch immer Kontakt.

Ian Gilfellon war der GSU schon nach kurzer Zeit sehr eng verbunden. Die deutsche Einheit, die in den 1980er Jahren fast 260 Beschäftigte aufwies und 18 Schutzobjekte betreute, wuchs im förmlich ans Herz. Er war präsent, wenn es Probleme im Wachgeschehen gab, nahm an kleinen Zeremonien teil, bei denen GSU-Leute nach ihrer bestandenen Grundausbildung in den Wachdienst verabschiedet wurden und auch dann, wenn „seine Truppe“ mit ihren Diensthunden im Sennelager um Pokale kämpfte.

Auch war seine Rolle wegen der statusrechtlichen Besonderheit Berlins immer wieder gefordert. Jedes Jahr begrüßte der Stadtkommandant in der von der GSU geschützten Villa Lemm ein Mitglied der Königlichen Familie (Foto: Gilfellon mit Sicherheitskräften und der Herzogin von York im Mai 1989). Ian Gilfellon ließ es sich nicht nehmen, die Guards regelmäßig in der Villa aufzusuchen und zu unterstützen. 


Voller Achtung belohnte er GSU-Leute auch nach gelungenen Sondereranstaltungen, indem er die Guards zum Schwimmen in das Hauptquartiers am Olympiastadion einlud.

Ian Gilfellon (re,) mit den GSU-Führungskräften Karl-Heinz Sander, Wolfgang Schiller und Jürgen Gensrich  (v.l.n.r., 1989)

Verbundenheit mit der GSU

Ian Gilfellon liebte seine Rolle und wurde innerhalb der GSU immer wieder als "Regimental Sergeant Major" angesehen und auch bezeichnet. Tatsächlich war er dies weder organisatorisch noch funktional, da die BSE-Stelle explizit bei der GSU und nicht bei der Regimentsführung angesiedelt war. Ebenfalls oft falsch dargestellt wird, dass Gilfellon mit der Ordensstufe Member oft he Order oft he British Empire (MBE) ausgezeichnet wurde. Tatsächlich hat er diese Ehrung nie erhalten.

Dennoch war der Warrant Officer dekoriert. Sieben hohe Auszeichnungen hat er seit 1976 erhalten, darunter diverse Long Service Medals. Stark verbunden blieb er seinen Kameraden der ehemaligen 6. Infanteriebrigade der RMP, die in der York Barracks in Münster stationiert war. In den 1980er und 1990er Jahren hat er kaum ein Reunion verpasst.

Seine Berliner Verwendung betrachtete Gilfellon immer als etwas Besonderes. Er liebte Deutschland und erkundete mit seiner Frau und engen Freunden Berlin. Auch im Ostsektor kannten sie sich sehr schnell aus. Vor allem kümmerte sich der Warrant Officer um Suzanne, mit der er zahlreiche Flohmärkte besuchte. Sie sammelte Münzen, Ian selbst suchte stets nach interessanten Mützenabzeichen.

In seine Dienstzeit fielen auch der Fall der Berliner Mauer und die Deutsche Einheit. So groß die Freude war, so sehr ahnte er Veränderungen. Seine Dienstzeit in der Vier-Sektoren-Stadt endete ohnehin 1990. Nunmehr wechselte er als vollwertiger Regimental Sergeant Major auf seinen letzten Dienstposten nach London.

Als Ian Gilfellon letztlich pensioniert wurde und als Warrant Officer in den Ruhestand trat, rückte das Familiäre in den Vordergrund. Mit seiner Frau Elaine ließ er sich in seiner alten Heimat Cumbria nieder. Im idyllischen Milnthorpe, das in South Lakeland liegt, kauften sie sich ein Haus, in dem sie glückliche 30 Jahre verlebten.

Als Ruheständler widmete er sich nun seinen Hobbys. Er las viel, verfolgte das aktuelle politische Geschehen, war weiterhin an Rugby und Fußball interessiert und entwickelte eine zunehmende Leidenschaft für klassische Fahrzeuge. Mit „Monica“ trat nun eine neue Liebe in sein Leben. Bei ihr handelte es sich um einen roten MGA-Klassiker, mit dem Ian und Elaine an vielen sonnigen Tagen die Gegend erkundeten.

Die Liebe zu Deutschland blieb. Seine Tochter Sarah erinnert sich noch heute, wie oft ihr Vater zu einem „deutschen Frühstück“ einlud und die ganze Familie in Pubs in Milnthorpe deutsche Biere genossen.

Doch alles hatte seine Zeit: Ian Gilfellon erkrankte an Diabetes und war darauf angewiesen, sich viel zu bewegen. Doch der Warrant Officer hatte einen Plan und lieh sich täglich „Bob“ aus. Bei ihm handelte es sich um den Spaniel seiner Nachbarn. Mit dem Hund war er fortan täglich stundenlang unterwegs. Aber das Schicksal meinte er nicht gut mit der Familie. Nachdem seine Schwiegermutter plötzlich an Krebs erkrankte und verstarb, zogen die Gilfellons nach London, um sich um Elaines Vater zu kümmern, der zeitgleich an Demenz erkrankte.
28. Januar 2021 : Trauerfeier für Ian Gilfellon in London
Doch auch Ian selbst ging es nicht mehr gut. Eine rheumatische Arthritis führte zu einer Lungenerkrankung. Es lag in der Natur Gilfellons, seine Dinge zu ordnen und Elaine zu bitten, jeden Tag ohne ihn mit optimistischen Blick in die Zukunft zu verleben. „Bleibe stark – auch wenn ich weg bin“, gab er ihr zu verstehen.

Als im September 2020 der Vater von Elaine stirbt, war Ian Gilfellon bereits zu schwach, um von London zurück in das gemeinsame Haus nach Cumbria zu ziehen.



Im Kreis seiner Familie stirbt Ian Gilfellon im Januar 2021, nur sechs Tage nach seinem 77. Geburtstag. Noch im selben Monat nehmen Familie und Freunde in der bekannten Londoner Kirche von New Southgate Abschied von ihm.

Die Zeremonie wird weltweit übertragen, um wegen der herrschenden Pandemie allen Freunden die Möglichkeit zu geben, dabei zu sein. Begleitet wird die Zeremonie, ganz im Sinne des einstigen Soldaten, durch Musik der Coldstream Guards.
Eines der letzten Bilder: Ian Gilfellon mit seinem Bruder Andrew (re.)
 "Bleibe stark, auch wenn ich weg bin"

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