Hitler und auch Graf Stauffenberg hatten den Standort bereits verlassen. Neue Leitungen wurden gelegt und SS-Männer bildeten eine weitere Sicherheitsschleuse. Nur Tage später wurden Radtke und seine Kameraden wieder abgezogen.
Heinz Radtke wurde an die berüchtigte Luftlande-Division Herman Göring versetzt, einer Panzerdivision, die bis 1944 bestand und an zahlreichen Schlachten beteiligt war – unter anderem in Italien, Nordafrika und an der Ostfront. Radtke war an Rückzugskämpfen beteiligt und erkrankte schwer, bevor er verlegt werden konnte. Für ihn war der Krieg für kurze Zeit vorbei, was dazu führte, dass er Richtung Pommern in ein Lazarett musste.
Nach seiner Gesundung erhielt er noch drei Tage Urlaub, ehe er sich bei einem Sammelpunkt in Berlin-Reinickendorf zu melden hatte. Von dort aus wurde er nach Schlesien verlegt. Er erinnerte sich an seinen täglichen Begleiter, die Angst. „Wir hausten in Kellern, immer die Pistolen in den Händen und hörten das Rascheln. Wir dachten, die Russen kämen, aber es waren nur Karnickel oder Ratten“. Nur wenige Zeit später wurde Radtkes Einheit nach Berlin zurückverlegt, um auf den Einsatz bei der Ardennenoffensive eingesetzt zu werden. Radtke lag mit seinen Kameraden im Waldgebiet der Eifel und lagerten Munition aus, stets begleitet von der Angst eines Luftangriffes. Später ging es bis ins belgische Bastogne. „Die SS bediente sich an unseren Lagern, um unseren Treibstoff für deren Panzer einzusetzen“, erinnerte sich Radtke.
Letztlich ging es im Dezember 1944 zurück nach Dachau. Der Plan war, noch über den Brenner vorzustoßen, was aber nicht mehr gelang. „Wir wurden bereits in Khaki eingekleidet“, sagte Radtke. Während dieser Zeit sah er das erste Mal Häftlinge aus einem Konzentrationslager. Sie waren entflohen, inzwischen bewaffnet und beschossen Radtkes Einheit.
Später wurde Radtkes Truppe nach Tirol verlegt, wo sie in einem beschlagnahmten Bauernhof einquartiert wurden. Der Bauer wehrte sich gegen die Maßnahme, weil er Angst vor dem anrückenden Amerikaner hatte, doch die Soldaten blieben. Zuvor trafen sie auf eine andere Einheit, die u.a. Schreibmaschinen und Vordrucke der Firma Junkers hatten, die sich in der Nähe befand. So kam es, dass sich Radtkes Leute falsche Arbeitsbescheinigungen ausstellten, um der Festnahme durch die US-Soldaten zu entgehen. Doch es war zu spät, der Amerikaner war bereits im Dorf eingetroffen und ließ die heimische Polizei die Objekte durchsuchen. Es blieb Radtke und seinen Kameraden kein anderer Ausweg mehr, als sich der Uniform, des Soldbuches und aller weitern Wehrmachtsutensilien zu entledigen. Sie besorgten sich Zivilkleidung, Radtke selbst hatte seinen privaten Rucksack dabei, was ihn unauffällig erschienen ließ. Schließlich machten sich die Kameraden auf den Weg nach Deutschland.
„Es war ein langer Fußmarsch, der längste meines Lebens“, erinnerte sich Radtke. Sie liefen nur nachts und arbeiteten tageweise bei Bauern, um sich durchzuschlagen und etwas Essen zu bekommen. Die Kapitulation am 8. Mai 1945 hatte Radtke nur am Rande mitbekommen, zu groß war die Angst, es könnte sich um eine Falschmeldung handeln. Und tatsächlich wurde Radtke in Augsburg durch US-Soldaten festgenommen.
Kleidungsgemäß und auch aufgrund der fingierten Arbeitspapiere wurde Radtke durch die US-Militärbehörden als Zivilist eingeordnet. Nach etwa zwei Wochen wurde er – nach einer Vernehmung und Registrierung – wieder entlassen. Für ihn ging es weiter zu Fuß nach Berlin. Der Weg führte ihn bis zur Elbe, der damaligen Trennung von Ost und West. Teile von Sachsen-Anhalt waren damals noch britische Besatzungszone, ehe ein Gebietsaustausch mit der Sowjetunion durchgeführt wurde.
Heinz Radtke blieb zunächst auf einem Hof und arbeite etwa zwei Jahre dort. Der Bauer selbst befand sich in französischer Gefangenschaft, weshalb also dringend Hilfe auf dem Hof benötigt wurde. Kurze Zeit nach Rückkehr des Bauern, bezogen plötzlich sowjetische Soldaten den Hof.
Schließlich setzte Heinz Radtke seinen langen Weg nach Berlin fort, der ihn mit der Fähre über die Elbe nach Zerbst in Sachsen-Anhalt führte. Schließlich in Berlin angekommen, musste er zunächst in ein Auffanglager, in dem er komplett ausgeplündert wurde. Dann aber sollte es nach Neukölln gehen, wo er seine Mutter Käte suchte und letztlich auch wohlbehalten wiederfand.