Heinz Radtke (1925-2023)

"Die Einschläge
kommen immer näher"
 Heinz Radtke an seinem Einschulungstag 

Zeitzeuge
HEINZ RADTKE
Der ewige Chief

Er wurde auf der Durchreise geboren und erlebte den 20. Juli 1944 als Soldat und Zeitzeuge am Ort des Hitler-Attentates mit. Er flüchtete zu Fuß nach Berlin und wirkte später in Ost und West. Der Werdegang von Heinz Radtke konnte nicht abenteuerlicher sein, wenngleich es sich auch um einen generationstypischen handelte.

Heinz Radtke wurde im November 1925 in eine Generation hineingeboren, deren Lebensweg voller Hürden und menschlicher Einschnitte war. 

Inmitten der 1918 durch den Reichstagsabgeordneten Philipp Scheidemann ausgerufenen Weimarer Republik erblickte Radtke das Licht der Welt - quasi auf einer Durchreise, denn Mutter Käte musste vollkommen unerwartet in Rostock frühzeitig entbinden. Nach der Niederkunft reiste die Familie, in die Heinz Radtke als Einzelkind hineingeboren wurde, wieder zurück nach Berlin.
Die Radtkes lebten zunächst im Berliner Bezirk Neukölln, später in Tempelhof und in Charlottenburg. Schließlich zog es sie nach Spandau, wo Heinz Radtke auch die Schule besuchte. 1940 hatte er seinen Realschulabschluss in der Tasche. Rückblickend bezeichnete er seine Kindheit als „durchwachsen“, denn sie war geprägt durch einen Schulwechsel sowie durch das Zerbrechen der Familie. Radtkes Vater, ein Zollbeamter, ließ Frau und Kind im Stich. Vater und Sohn hatten nie wieder Kontakt. 

In seinen Erinnerungen bedachte er aber auch seine Zeit beim Deutschen Jungvolk, einer Unterorganisation der Hitlerjugend, in der sich 10 bis 14jährige Jungen, sogenannte „Pimpfe“ organisierten. „Wir wurden damals in einer Neuköllner Baracke auf Führer-Linie gebracht“, schmunzelte Radtke beim Interview. Immerhin erkannte und entwickelte er seine Leidenschaft zum Schwimmen. Er erwarb den Grundschein und später auch den Rettungsschwimmer. Die Kameradschaft mit Gleichaltrigen half dem Jungen, der nach dem Weggang seines Vaters bei seiner Mutter sowie deren Großmutter aufwuchs, immens. „Ganz oft verband uns dasselbe Schicksal“, sagte Radtke.

Den Realschulabschluss in der Tasche, begann der 17jährige eine Lehre als Maschinenbauer bei der Firma NUG. Mit seinem Lehrgeld unterstützte er seine Mutter und trug somit zum Lebensunterhalt der kleinen Familie bei. Die Ausbildung konnte er damals, wie viele andere Lehrlinge auch, nicht mehr beenden, denn er wurde in den Reichsarbeitsdienst (RAD) verpflichtet und schließlich 1943 in Schlesien eingesetzt. Beim RAD waren die Aufgaben klar: „Wir mussten Griffe kloppen, Spaten polieren und aßen gemeinsam Pellkartoffeln mit Quark. Zuletzt hatten wir aber kaum noch etwas zum Essen…“, erinnerte sich Heinz Radtke. Die letzte Phase beim Reichsarbeitsdienst war geprägt durch Straßenbau. Keine leichte Zeit für Radtke.

Schließlich wird Heinz Radtke in die Wehrmacht eingezogen. 
Heinz Radtke als Soldat
Nach einer Ausbildung als Fernmelder wird er einer Luftlandetruppe zugeordnet und erhält eine Zusatzausbildung in Ratzeburg. Das Schicksal wollte es aber, dass Radtke später als Mitglied eines Wachkommandos an ein militärisches Lagezentrum der Wehrmacht versetzt wurde: an die Wolfsschanze, nahe des oberschlesischen Rastenburg. Die bekannte Wolfsschanze war eines der Führerhauptquartiere, in dem sich Adolf Hitler während des Zweiten Weltkrieges mehr als 800 Tage aufgehalten haben soll.

„Hitler habe ich bewusst nie gesehen, nur beim Vorbeifahren. Aber alle anderen Bonzen habe ich natürlich wahrgenommen. Es war auch beabsichtigt, dass wir nicht sichtbar waren, weshalb wir die meiste Zeit auch in irgendwelchen Gräben zubrachten“, erinnerte sich Radtke an seine dortige Dienstzeit.

Auch am 20. Juli 1944 war der Gefreite Heinz Radtke dort eingesetzt. „Es war ein heißer Tag, Erntefahrzeuge kamen von den Feldern zurück und der Russe kam ebenfalls immer näher“, erinnerte er sich. Nach der hörbaren Detonation wurde der gesamte Standort abgesperrt und die Soldaten in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Radtke und seine Kameraden hatten nach dem Attentat den Auftrag, alle ein- und ausfahrenden Fahrzeuge mit Eisenstangen zu durchsuchen. 
Hitler und auch Graf Stauffenberg hatten den Standort bereits verlassen. Neue Leitungen wurden gelegt und SS-Männer bildeten eine weitere Sicherheitsschleuse. Nur Tage später wurden Radtke und seine Kameraden wieder abgezogen.

Heinz Radtke wurde an die berüchtigte Luftlande-Division Herman Göring versetzt, einer Panzerdivision, die bis 1944 bestand und an zahlreichen Schlachten beteiligt war – unter anderem in Italien, Nordafrika und an der Ostfront. Radtke war an Rückzugskämpfen beteiligt und erkrankte schwer, bevor er verlegt werden konnte. Für ihn war der Krieg für kurze Zeit vorbei, was dazu führte, dass er Richtung Pommern in ein Lazarett musste.

Nach seiner Gesundung erhielt er noch drei Tage Urlaub, ehe er sich bei einem Sammelpunkt in Berlin-Reinickendorf zu melden hatte. Von dort aus wurde er nach Schlesien verlegt. Er erinnerte sich an seinen täglichen Begleiter, die Angst. „Wir hausten in Kellern, immer die Pistolen in den Händen und hörten das Rascheln. Wir dachten, die Russen kämen, aber es waren nur Karnickel oder Ratten“. Nur wenige Zeit später wurde Radtkes Einheit nach Berlin zurückverlegt, um auf den Einsatz bei der Ardennenoffensive eingesetzt zu werden. Radtke lag mit seinen Kameraden im Waldgebiet der Eifel und lagerten Munition aus, stets begleitet von der Angst eines Luftangriffes. Später ging es bis ins belgische Bastogne. „Die SS bediente sich an unseren Lagern, um unseren Treibstoff für deren Panzer einzusetzen“, erinnerte sich Radtke.

Letztlich ging es im Dezember 1944 zurück nach Dachau. Der Plan war, noch über den Brenner vorzustoßen, was aber nicht mehr gelang. „Wir wurden bereits in Khaki eingekleidet“, sagte Radtke. Während dieser Zeit sah er das erste Mal Häftlinge aus einem Konzentrationslager. Sie waren entflohen, inzwischen bewaffnet und beschossen Radtkes Einheit.

Später wurde Radtkes Truppe nach Tirol verlegt, wo sie in einem beschlagnahmten Bauernhof einquartiert wurden. Der Bauer wehrte sich gegen die Maßnahme, weil er Angst vor dem anrückenden Amerikaner hatte, doch die Soldaten blieben. Zuvor trafen sie auf eine andere Einheit, die u.a. Schreibmaschinen und Vordrucke der Firma Junkers hatten, die sich in der Nähe befand. So kam es, dass sich Radtkes Leute falsche Arbeitsbescheinigungen ausstellten, um der Festnahme durch die US-Soldaten zu entgehen. Doch es war zu spät, der Amerikaner war bereits im Dorf eingetroffen und ließ die heimische Polizei die Objekte durchsuchen. Es blieb Radtke und seinen Kameraden kein anderer Ausweg mehr, als sich der Uniform, des Soldbuches und aller weitern Wehrmachtsutensilien zu entledigen. Sie besorgten sich Zivilkleidung, Radtke selbst hatte seinen privaten Rucksack dabei, was ihn unauffällig erschienen ließ. Schließlich machten sich die Kameraden auf den Weg nach Deutschland.

„Es war ein langer Fußmarsch, der längste meines Lebens“, erinnerte sich Radtke. Sie liefen nur nachts und arbeiteten tageweise bei Bauern, um sich durchzuschlagen und etwas Essen zu bekommen. Die Kapitulation am 8. Mai 1945 hatte Radtke nur am Rande mitbekommen, zu groß war die Angst, es könnte sich um eine Falschmeldung handeln. Und tatsächlich wurde Radtke in Augsburg durch US-Soldaten festgenommen.

Kleidungsgemäß und auch aufgrund der fingierten Arbeitspapiere wurde Radtke durch die US-Militärbehörden als Zivilist eingeordnet. Nach etwa zwei Wochen wurde er – nach einer Vernehmung und Registrierung – wieder entlassen. Für ihn ging es weiter zu Fuß nach Berlin. Der Weg führte ihn bis zur Elbe, der damaligen Trennung von Ost und West. Teile von Sachsen-Anhalt waren damals noch britische Besatzungszone, ehe ein Gebietsaustausch mit der Sowjetunion durchgeführt wurde.

Heinz Radtke blieb zunächst auf einem Hof und arbeite etwa zwei Jahre dort. Der Bauer selbst befand sich in französischer Gefangenschaft, weshalb also dringend Hilfe auf dem Hof benötigt wurde. Kurze Zeit nach Rückkehr des Bauern, bezogen plötzlich sowjetische Soldaten den Hof.

Schließlich setzte Heinz Radtke seinen langen Weg nach Berlin fort, der ihn mit der Fähre über die Elbe nach Zerbst in Sachsen-Anhalt führte. Schließlich in Berlin angekommen, musste er zunächst in ein Auffanglager, in dem er komplett ausgeplündert wurde. Dann aber sollte es nach Neukölln gehen, wo er seine Mutter Käte suchte und letztlich auch wohlbehalten wiederfand.
Tradesman Radtke mit seinem Diensthund Target  (1953)

Von Ost nach West: Der Weg in die German Service Organisation

Heute unvorstellbar: Heinz Radtke hatte Probleme, bei der Mutter zu bleiben, weil der Bezirks Neukölln ein westlicher war. Er versuchte, eine Zuzugsgenehmigung zu erhalten, was sich problematisch darstellte, da er spät aus dem Krieg heimkehrte. Dasselbe Problem hatte er bei den Lebensmittelkarten. Radtke schlug sich deshalb als Landarbeiter durch und ging schließlich wieder Richtung Elbe. Seine Mutter blieb in Berlin und er unterstützte sie, wo er nur konnte. 

In Breitenhagen, einem Ortsteil der Stadt Barby, bewarb er sich bei der Volkspolizei, in der er bis 1949 diente. Zunächst absolvierte er eine sechsmonatige Grundausbildung an der Polizeischule in Dessau. Jener Polizeischule, an der auch sein späterer GSU-Kollege Ulrich Jäckel lernte. Nach seiner Grundausbildung ging der junge Wachtmeister zunächst auf Streife, später versah er Dienst als Einzelposten, um Felddiebstähle zu verhindern.
 
„Kurz danach wurde in der DDR der Grenzschutz aufgebaut, weshalb ich an die innerdeutsche Grenze versetzt wurde. Wir waren die erste Zeit mit Russen zusammen eingesetzt“, erinnerte sich Radtke. 

Als seine Mutter Käte erkrankte, kündigte Radtke bei der Volkspolizei, in der er anderthalb Jahre diente. Schließlich erhielt er eine Zuzugsgenehmigung und lebte wieder bei seiner kranken Mutter in Neukölln.

Doch Heinz Radtke brauchte Arbeit. Da er seine Lehre nicht abgeschlossen hatte und somit ungelernt war, konnte er in seinen alten Beruf nicht zurück. Er nahm nahezu jeden Gelegenheitsjob an und war als Helfer oder Lagerarbeiter tätig, bis er Anfang der 1950er Jahre eine Saisonstelle als Rettungsschwimmer am Columbiadamm antreten konnte. Später erhielt er ein Festangebot als Heizer im Schwimmbad, was ihm aber völlig fremd war. Inzwischen hatte sich aber in West-Berlin eine völlig neue Arbeitswelt aufgetan. Die West-Alliierten. Und so kam es, dass 1952 die US-Streitkräfte und auch die Briten Wachpersonal suchten.

Am 1. April 1952 hatte er seinen Bewerbungstermin beim britischen Arbeitsamt in der Cuno-Fischer-Straße, wo er auch sofort seine Verpflichtungserklärung unterzeichnete. Noch am selben Tag meldete er sich beim Watchmens Service der German Service Organisation (GSO) zum Dienst. Es war ein Schicksalstag, der sein restliches Leben bestimmen sollte. Er ahnte nicht, dass er die Liegenschaft eines Tages als stellvertretender Einheitsführer verlassen würde.

Mit seiner Grundausbildung verband Radtke rückblickend nur positive Erinnerungen. Seine Stube bezog Radtke im 2. Stockwerk des Block 14. Er war somit der 1. Kompanie zugewiesen, die von Chief Superintendent Hans Horn, einem ehemaligen Wehrmachts-Offizier, geführt wurde. Einheitsführer war zu diesem Zeitpunkt bereits Johannes Gohl.
„Es war eine tolle Zeit. Ich war im 2. Zug. Assistant Superintendent Nagel war unser Spieß und Superintendent Weichselbaumer mein Zugführer. Ausgebildet wurden wir damals von einem sehr guten Duo. Einem Engländer sowie dem GSU-Mann Krause“, erinnerte sich Radtke.

Nach seiner Ausbildung war er als Tradesman im Wachdienst eingesetzt. Hauptsächlich versah er seinen Dienst im Kohlelager in der Spandauer Darbystraße. Kohle war zu jener Zeit die wichtigste Ware für Deutsche. Die GSO-Wachleute führten Langwaffen mit sich, die allerdings nicht geladen waren – warum, konnte niemand erklären.

1953 absolvierte Radtke die Ausbildung zum Hundeführer. Das noch unorganisierte Hundewesen bei der GSO entwickelte sich zum Steckenpferd seines Wirkens. „1961 wurde Norbert Luckner Kennelmaster, der das Amt von seinem Vorgänger Schröter übernahm. Das war auch so etwa der Zeitpunkt, als sich Gohl und die restliche GSO-Führung Gedanken um eine moderne Organisation des Hundewesens gemacht haben“, sagte Radtke.
Heinz Radtke mit Gerhard Jabs (reechts, 1955) 
Mit der Leitung des Hundezuges, der eigentlich keiner war, weil die Diensthunde in den einzelnen Zügen mitliefen, wurde Foreman Gerhard Jabs beauftragt, der damals bereits eng mit Radtke zusammenarbeitete. 
Seine eigene Dienstzeit auf Wache war für Heinz Radtke immer ein kleines Abenteuer. Mit seinem Schäferhund „Target“ bildete er ein gutes Team. Schweißperlen trieb es eines Abends im britischen Hauptquartier auf die Stirn, als er seinen Hund ohne Leine laufen ließ und dieser weglief. Es half kein Rufen, keine Pfiffe. Er blieb verschwunden.
 Radtke blieb also nichts anderes übrig, als den Verlust bei Chargehand Czerny zu melden, dem damaligen Wachleiter. „Czerny war Oberschlesier und ein netter und guter Kamerad, der später zur BVG wechselte“, erinnerte sich Radtke.

„Wir suchten Target auch im öffentlichen Straßenland. Ich ging dann zurück zur Transmitter-Station, wo ich meinen Kontrollposten hatte. Mir gingen zu diesem Zeitpunkt schon sämtliche Konsequenzen durch den Kopf. Aber alles lief gut, denn plötzlich tauchte Target an der Hauptwache wieder auf“, erinnerte sich Radtke lachend.

Es war, da sind sich Zeitzeugen einig, trotz aller Umstände, die sich aus den ersten Nachkriegsjahren ergaben, eine der schönsten Zeitphasen für die Angehörigen der GSO gewesen. Viele Feierlichkeiten verbanden die Kameraden untereinander. Der von Johannes Gohl mitgegründete GSO-Wassersportclub leistete hierzu einen wesentlichen Beitrag. Die enge und freundschaftliche Kameradschaft war vor allem den vielen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen zu verdanken. „Das war sicherlich eine Generationsfrage“, äußerte Radtke selbst. Dem Sport blieb er immer eng verbunden. So war er Mitglied einer Sportgruppe, die gegen befreundete Einheiten boxten. Auch an Schwimmwettkämpfen nahm er erfolgreich teil.

Zeitzeuge und Projektleiter Carsten Schanz (*1967) verband mit Heinz Radtke eine durch Respekt geprägte Freundschaft. Bis zu seinem Tod pflegten beide einen engen Kontakt, der nunmehr mit dessen Sohn fortgeführt wird. Radtke war ein großer Unterstützer des Zeitzeugen-Projektes und half mit Wissen und Dokumenten.

 

"Er hinterließ unzähliges Material und gewährte in zwei Interviews einen tiefen Einblick in sein Leben, das durch die GSU wesentlich gezeichnet war."


Diese Seite wird auf Wunsch von Heinz Radtke aus Anlass seines 100. Geburtstages veröffentlicht. Er fehlt.

v.l.n.r.: Staff Superintendent Wolfgang Schiller, WO1 Terence Clift und Heinz Radtke (1968)

Radtke rückt an die Spitze

Ein großer Einschnitt änderte bei der damaligen GSO sehr viel: Im November 1955 wurde die Bundeswehr aufgestellt, was dazu führte, dass zahlreiche GSO-Leute wechselten. Unter ihnen war auch Gerhard Jabs. Heinz Radtke wurde von Gohl daraufhin zum Foreman befördert und zum neuen Chef des Hundezuges ernannt. Es lief gut für Radtke, auch privat. Nach einer gescheiterten Ehe heiratete er im Dezember 1966 seine zweite Frau Ingrid. Sein Freund und Kollege Superintendent Kuno Röder fungierte als Trauzeuge und natürlich waren viele Kameraden bei der Feier an seiner Seite. Nur wenige Jahre später wurde der gemeinsame Sohn Christian geboren. 
Peter Kohl wurde indes zum neuen Kennelmaster berufen, der sich nun auch verstärkt um Radtke Diensthund Target kümmerte, den der neue Chef des Hundezuges nicht mehr führen konnte. Den Einfluss in der neuen Position baute sich Radtke aus. So verhandelte er mit Mercedes Benz bei der Beschaffung neuer Einsatzfahrzeuge, damit diese um einen leichteren Einstieg an der hinteren Tür ergänzt werden. „Ich wollte, dass die Hunde über eine Treppe ein- und aussteigen konnten, ohne springen zu müssen“, erinnerte er sich. Und so kam es auch.

1968 setzte ein Generationswechsel bei der in German Service Unit (GSU) umbenannten Einheit ein. Der langjährige Staff Superintendent Johannes Gohl und weitere Führungsoffiziere traten in den Ruhestand. Noch im selben Jahr wurde Radtke zum Superintendent und schließlich 1969 zum Chief Superintendent befördert und zugleich zum stellvertreten Einheitsführer berufen. Er folgte auf Hans Horn, der ebenfalls aus dem aktiven Dienst ausschied.

Der neue Mann an der Spitze war Staff Superintendent Wolfgang Schiller, mit dem sich Radtke gut verstand. Beide hatten nunmehr die Möglichkeit, alle wichtigen Positionen mit neuen Offizieren und Unteroffizieren zu besetzen. Vom Personalbüro bis zur Ausbildungs-Abteilung: Alles wurde neu aufgesetzt. Mit Terence Clift erhielt die GSU erstmals einen Verbindungsoffizier der britischen Militärpolizei zur Seite gestellt. Alle drei Protagonisten bildeten ein eingespieltes Trio.
Mit der Zeit wurden Kompetenz und Aufgabenbereiche rechtlich gestärkt. Chief Radtke, der inzwischen von vielen Kollegen als „Sir Henry“ bezeichnet wurde, führte auch die Verhandlungen zu den Übernahmen der Schutzaufgaben für die Residenzen des britischen Stadtkommandanten und des Brigadekommandeurs. 

(Foto unten: Radtke mit Stadtkommandant David Scott-Barrett (1975)
Chief  Superintendent Radtke mit seiner Frau Ingrid
 Trotz seines hohen Ranges blieb ein im Herzen stets ein „Guard“. Den Kontakt zu seinen Leuten hat er niemals verloren. Anders hätte es auch nicht funktioniert, war er doch als „Second in Charge“ des Einheitsführers auch zugleich Chef des Wachzuges.

Als er 1988 schließlich in den gesetzlichen Ruhestand trat, war es für ihn auch eine Erleichterung. Dass was sich zunächst als gutes Führungsteam mit Wolfgang Schiller aufzeigte, entwickelte sich nahezu in das Gegenteil.

Heinz Radtke verlor immer mehr Kompetenzen, die Zusammenarbeit litt und letztlich musste er sein Büro räumen und sich einer Verwaltungsangestellten unterordnen, die – in jeglicher Hinsicht – fest an der Seite Schillers stand.

Die Weihnachtsfeier 1988 sollte sein letzter offizieller Auftritt bei der inzwischen in German Security Unit umbenannten Einheit werden. Durch den ebenfalls ausscheidenden Stadtkommandanten Patrick Brooking erhielt er sein Abschiedsgeschenk, ehe er die Smuts Barracks verlässt.
Als Zeitzeuge stand Heinz Radtke bis zu seinem Lebensende zur Verfügung und dort, wo er inmitten eines GSU-Vereins in Erscheinung trat, wurde er von alten Kameraden wie ein Pop-Star verehrt. Er, der er bodenständig blieb. Nie gefürchtet, aber stets geschätzt und respektiert. Bis zum Schluss sprachen ihn die Ehemaligen respektvoll mit „Chief“ an.
Dezember 1988: Heinz Radtke wird durch Stadtkommandant Patrick Brroking (re.) in den Ruhestand verabschiedet
Bei jedem Treffen mit ehemaligen Kameraden fiel mindestens einmal Radtkes legendärer Satz: „Die Einschläge kommen immer näher“. 

Er spielte darauf an, dass bei fast jedem Treffen die Nachricht über das Ableben eines Ehemaligen die Runde machte. Er nahm es mit Humor.

2018 erlitt er massive Verletzungen, nachdem er stürzte und in eine Glasscheibe fiel. Doch er erholte sich wieder und stand als Zeitzeuge weiter zur Verfügung. Diesen Artikel wollte er gerne zu seinem 100. Geburtstag lesen, doch das Schicksal wollte es anders
Der ewige Chief: Heinz Radtke (2015)
Heinz Radtke starb im April 2023 mit 97 Jahren. Seine Frau Ingrid hat seinen Tod nicht verkraftet und wurde kurze Zeit später selbst zum Pflegefall. 

Teile seines Nachlasses sind durch Christian Radtke an GSU History übergeben worden – so wie bereits zu Lebzeiten durch Heinz Radtke selbst.

Soweit möglich, reiste Radtke mit seiner Familie jedes Jahr ans Meer. Er liebte die See und wurde deshalb auf eigenen Wunsch im Mai 2023 nördlich der Insel Föhr seebestattet.

Eine Kopie der Bestattungsurkunde mit der genauen Örtlichkeit wurde von der Familie an GSU History übergeben. 

Mit 97 Jahren hat Heinz Radtke das bisher höchste bekannte Lebensalter aller Angehörigen der einstigen German Security Unit erreicht. 

 "Die Einschläge kommen immer näher"